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Dienstag, 08 Januar 2019 07:37

"Saubere Luft" auch für Darmstadt: DUH und VCD begrüßen Bereitschaft der hessischen Landesregierung zu Diesel-Fahrverboten in Darmstadt

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Erstmals erklärt ein Bundesland in einem Verwaltungsgerichtsverfahren seine Bereitschaft, Diesel-Fahrverbote zur Einhaltung der Grenzwerte für das Diesel-Abgasgift NO2 einzuführen - Deutsche Umwelthilfe und der ökologische Verkehrsclub VCD werden mit der Landesregierung Hessen über die Ausgestaltung der Diesel-Fahrverbote für Darmstadt verhandeln -

Erstmals ist eine Landesregierung zu diesem Schritt bereit, da sie die Notwendigkeit von Diesel-Fahrverboten als schnellstmöglich wirkende Maßnahme anerkennt - Diesel-Fahrverbote stehen fest, zu klären ist nur noch die Frage der Ausgestaltung - Ohne Einigung wird das Gericht über Art und Umfang der Diesel-Fahrverbote am 19.12.2018 entscheiden

Im Klageverfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und des ökologischen Verkehrsclub VCD gegen die Landesregierung Hessen für "Saubere Luft" in Darmstadt haben sich die beiden Parteien bei der gestrigen Verhandlung am Verwaltungsgericht Wiesbaden darüber verständigt, dass sie in den nächsten drei Wochen Gespräche über die Ausgestaltung von Diesel-Fahrverboten in Darmstadt zur schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) führen werden (4 K 1755/15.WI). Ohne Einigung kündigte das Gericht hierzu für den 19.12.2018 einen Beschluss an. Die internationale Umweltrechtsorganisation ClientEarth unterstützt Klagen für "Saubere Luft" der DUH.

DUH und VCD werten diese Entwicklung als positiv, da erstmals eine Landesregierung zu diesem Schritt bereit ist und außergerichtlich zu einer Einigung gelangen möchte. Bereit fest steht, dass streckenbezogene Diesel-Fahrverbote in Darmstadt kommen werden, zu klären ist einzig die Frage des Umfangs und der Ausgestaltung.

Hintergrund ist, dass selbst die Landesregierung ein Diesel-Fahrverbot auf der Hügelstraße als alternativlos ansieht. Für die Heinrichstraße schlägt die Landesregierung bisher eine Einbahnstraßenregelung vor, die jedoch zeitlich erst im Jahr 2020 umgesetzt werden könnte und auch von den klagenden Verbänden und der Stadt als problematisch angesehen wird. DUH und VCD fordern auch für die Heinrichstraße weitreichende Diesel-Fahrverbote, die auch Ausweichverkehre berücksichtigt. Der Vorschlag des Gerichts war es daher, auch in der Heinrichstraße über ein Diesel-Fahrverbot nachzudenken und die Details zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits zu klären. Darüber werden sich DUH und VCD nunmehr in den kommenden Wochen mit der Landesregierung versuchen zu verständigen.

Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: "Wir sind ausgesprochen zufrieden mit dem Ausgang der gestrigen Verhandlung. In dem nunmehr dreizehnten Gerichtsverfahren zur Durchsetzung der "Sauberen Luft" erklärte sich erstmals ein Land dazu bereit, alle notwendigen Maßnahmen einschließlich Diesel-Fahrverbote zu ergreifen, um bis Ende 2019 an allen Stellen im Stadtgebiet die Grenzwerte für das Dieselabgasgift NO2 einzuhalten. Rückenwind erhalten wir aus der sehr klaren Botschaft der Richter am Ende der siebenstündigen Verhandlung: Das Gericht ist unserer Argumentation auf ganzer Linie gefolgt und hat der beklagten Landesregierung von Hessen klargemacht, dass auch in Darmstadt kein Weg an Diesel-Fahrverboten vorbeiführt."

Heiko Nickel, Geschäftsführer des VCD Hessen ergänzt: "Es müssen im außergerichtlichen Verfahren neben den Fahrverboten auch die von Darmstadt im GreenCity-Plan entwickelten Maßnahmen für ÖPNV und Radverkehr beschlossen werden. Zugleich ist die Bundesregierung gefordert, endlich die Hardware-Nachrüstung von Dieseln auf den Weg zu bringen, damit für betroffene Darmstädter Fahrverbote vermieden werden können."

Der Luftgrenzwert für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid (NO2), der seit dem Jahr 2010 verbindlich gilt, wird in Darmstadt seit Jahren an der Hügelstraße (72 µg NO2/m³ im Jahresmittel 2017) und der Heinrichstraße (57 µg NO2/m³) überschritten. Der Grenzwert ist schnellstmöglich, spätestens 2019 einzuhalten. Diesel-Fahrverbote sind die einzig wirksame und schnellstmögliche Maßnahme um dies zu erreichen, dies hat auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 27. Februar 2018 beschlossen.

Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH in den Verfahren vertritt, sagt: "Ein Vergleich hätte den Vorteil, dass die Maßnahmen rechtskräftig bereits im Frühjahr/Sommer 2019 umgesetzt werden und es keine weiteren Verzögerungen, beispielsweise durch ein mögliches Berufungsverfahren geben wird. Erstmalig kommt es in den Luftreinhalteklagen, bei denen ich die DUH und im Fall Darmstadt auch den VCD vertrete, zu Gesprächen über die Ausgestaltung von Diesel-Fahrverboten. Dies zeigt, dass die Landesregierung Hessens die Dringlichkeit der Sache erkannt hat."

Hermann Ott, Leiter des Deutschlandbüros von ClientEarth, sagt: "Noch eine Verhandlung, noch mehr Diesel-Fahrverbote in Sicht. Langsam erkennen die Behörden, dass Fahrverbote für besonders schmutzige Dieselfahrzeuge unvermeidbar sind. Wir werden den Austausch der Deutschen Umwelthilfe mit der hessischen Regierung begleiten. Nächstes Jahr, mit mehreren Fahrverboten in Kraft, werden deutsche Städte sauberer und sicherer für die Menschen die dort leben. Unsere Klagen im öffentlichen Interesse werden weitergehen - für das Recht der Menschen, saubere Luft zu atmen."

Ein erstes Treffen zwischen DUH, VCD und der Landesregierung Hessen ist auf den 7. Dezember 2018 terminiert. Geplant ist, bis zum 19. Dezember 2018 zu einer Einigung zu gelangen. Geschieht dies nicht, wird das VG Wiesbaden am 19. Dezember 2018 um 9:45 Uhr ein Urteil fällen.

Hintergrund:

Im November 2015 hat der ökologische Verkehrsclub Deutschland VCD Klage wegen Überschreitung der NO2-Luftqualitätsgrenzwerte erhoben. Im Mai 2016 wurde die Klage des VCD um die DUH als weiteren Kläger erweitert. Ziel ist die Änderung des Luftreinhalteplans, zur Einhaltung des NO2-Jahresmittelgrenzwerts. Die Rechtmäßigkeit von Diesel-Fahrverboten als kurzfristige Maßnahme zur Einhaltung des NO2-Grenzwerts bestätigte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Februar 2018. Zonale Diesel-Fahrverbote einschließlich Euro 5 sind demnach ab 1. September 2019 möglich, ohne Euro 5 bereits seit 1. September 2018.

An der Hügelstraße 26 in Darmstadt wurde für 2017 ein neuer Jahresmittelhöchstwert von 72 µg NO2/m³ gemessen - nach München und Stuttgart einer der höchsten Werte. In der Heinrichstraße ermittelte die DUH mit ihrer Citizen Science Messaktion "Decke auf, wo Atmen krank macht" 2018 ebenfalls NO2-Werte oberhalb der erlaubten 40 µg/m³.

NO2 ist gesundheitsschädigend. Die Europäische Umweltagentur EEA hat im Oktober 2018 die gesundheitlichen Folgen der NO2-Verschmutzung mit jährlich 13.100 vorzeitigen Todesfällen allein in Deutschland beziffert. Diesel-Fahrverbote sind zur kurzfristigen Einhaltung des NO2-Grenzwertes die einzige Option und laut Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 27. Februar 2018 rechtmäßig und notwendig.

Schmutzige Diesel-Pkw tragen wesentlich zu mehr als 800.000 jährlichen Neuerkrankungen an Diabetes und Asthma bei, verursacht durch die anhaltende Belastung der Atemluft mit dem Dieselgift NO2. Das Umweltbundesamt hatte mit einer neuen Studie über die Gesundheitsfolgen des Dieselabgasgiftes NO2 verdeutlicht, dass bereits bei Konzentrationen deutlich unterhalb des Grenzwertes mit 437.000 Neuerkrankungen an Diabetes Mellitus und 439.000 Asthmaerkrankungen zu rechnen ist.

Derzeit führt die DUH Klageverfahren für "Saubere Luft" in 30 Städten. Klagen in Bielefeld, Hagen, Oberhausen und Wuppertal wird die DUH noch im November einreichen. Damit klagt die DUH dann in insgesamt 34 Städten. Bis Ende 2018 ist noch eine Verhandlung für "Saubere Luft" in Wiesbaden am 19. Dezember terminiert.